Auszug aus einem Interview mit Stephan Klose aus Chemnitz. Das Interview wurde am 14. März 2019 geführt.
Ich arbeite für die „SFZ Förderzentrum gGmbH“ in Chemnitz in der dort ansässigen Berufsschule als offizieller Mediengestalter. Das bedeutet in meinem Fall, dass ich aufgrund meiner Behinderung - ich bin seit meiner Geburt blind - die ganze Gestaltung der Lehrmaterialien für unsere blinden Schüler übernehme. Die Aufgaben, die unsere Lehrer den Schülern geben wollen, übersetze ich von digitaler Normal-Schrift in digitale Braille-Schrift.
Zum Thema Inklusion habe ich ein gespaltenes Verhältnis. Das klingt zwar alles wunderbar, aber gerade im Bildungsbereich ist es schwierig. Ich finde, es wird Inklusion von Leuten gefordert, die überhaupt nicht wissen, was damit verbunden ist. Es ist ja schön, dass sich Eltern behinderter Kinder hinstellen und sagen: Mein Kind muss an eine normale Schule. Sie wissen aber nicht, was es für das Kind bedeutet. Was bedeutet es tatsächlich für mich als Behinderter, unter normalen Kindern zu sein? Die Eltern denken oft, sie tun ihrem Kind etwas Gutes. Aber das muss man ganz individuell betrachten. Man kann nicht einfach generell fordern: Wir müssen jetzt alle inklusiv beschulen. Das ist falsch aus meiner ganz persönlichen Sicht. Inklusion muss auch in beide Richtungen funktionieren. Es heißt ja nicht nur, dass ich den Behinderten inkludieren will, muss, oder kann. Auch die anderen Leute müssen mit dieser Behinderung zurechtkommen.
Ich komme von verschiedenen Einrichtungen. Die Grundschule war eine Spezialeinrichtung und mein Abitur habe ich an einer Spezialeinrichtung in Königs Wusterhausen gemacht. Dieses ganze Wissen der Leute, die dort vor Ort sind, geht doch mit Inklusion absolut verloren. Da kommen dann Einzelfallhelfer mit einer sozialpädagogischen Ausbildung, die denken, sie können Blinde und Sehbehinderte gut betreuen. Sie haben aber nicht das ganze Spezial- und Fachwissen dazu.
Es wäre schön, wenn man zukünftig nicht mehr um ganz normale Rechte kämpfen müsste. Es sollte gesetzlich verbindlich sein, dass vorhandene Technik auch genutzt werden muss, wie zum Beispiel die Audiodeskription bei Filmen. Ein Buch sollte immer auch als eBook ohne Barriere verfügbar sein. Es gibt häufig eBooks, die für mich aber nicht lesbar sind. Da fehlt es auch gesellschaftlich noch. Man macht etwas nicht nur, weil es gesetzlich verlangt wird, sondern man tut der Gesellschaft etwas Gutes.
Mein Name ist Stephan Klose. Ich bin 36 Jahre alt. Ich arbeite für die „SFZ Förderzentrum GmbH“ in Chemnitz in der dort ansässigen Berufsschule als offizieller Mediengestalter. Das bedeutet in meinem Fall, dass ich aufgrund meiner Behinderung – ich bin seit meiner Geburt blind – die ganze Gestaltung der Lehrmaterialien für unsere blinden Schüler*innen übernehme. Die Aufgaben, die unsere Lehrer*innen den Schülern geben wollen, übersetze ich von digitaler Normal-Schrift in digitale Braille-Schrift.
Ich übersetze dann die Arbeiten der Schüler*innen, die in Braille schreiben, wieder zurück, damit die Lehrer*innen diese wieder lesen können. Von meinen Kolleg*innen bekomme ich gute Vorlagen, da ist es nicht mehr so aufwendig. Aber man muss sich schon Gedanken machen, gerade wenn es um Tabellen geht. Ich bereite sie so auf, dass sie für einen Blinden auch wirklich Sinn machen. Es macht wenig Sinn die eins zu eins zu übernehmen. Es gibt immer wieder neue Herausforderungen. Man lernt auch immer wieder etwas dazu. Viele Themen sind ganz interessant.
Dann mache ich natürlich auch allgemeine Bürotätigkeiten, die hier in der Berufsschule anfallen, zum Beispiel Telefondienst. Auch wenn mal eine Braille-Zeile nicht funktioniert. Dann werde ich meistens erstmal geholt, bevor sie die IT fragen. Die IT kennt sich hier bei uns ja zwangsläufig auch mit dieser speziellen Technik aus. Nicht so konkret wie ich es als Anwender kenne, das ist klar. Aber im Groben schon.
Ich arbeite vorwiegend mit dem Screen-Reader und der Braille-Zeile. Der Screen-Reader ist das Stück Software, die alles, was auf dem Bildschirm angezeigt wird, in Sprache umwandelt. Auf den Schülerrechnern sind alle gängigen Screen-Reader installiert, z.B. JAWS, SuperNova, NVDA, damit die Schüler den Reader nehmen können, den sie gerne wollen und der mit der jeweiligen Anwendung am besten funktioniert. Der zweite Schritt ist dann das Stück Hardware, die Braille-Zeile, die dann das, was auf dem Bildschirm an Text steht, in Braille-Schrift übersetzt. Das sind meine wichtigsten zwei Arbeitsmittel. Und dann natürlich noch der schöne Braille-Drucker, der schöne Tiger.
Zum Thema Inklusion habe ich ein gespaltenes Verhältnis. Das klingt zwar alles wunderbar, aber gerade im Bildungsbereich ist es schwierig. Ich finde, es wird Inklusion von Leuten gefordert, die überhaupt nicht wissen, was damit verbunden ist. Es ist ja schön, dass sich Eltern behinderter Kinder hinstellen und sagen: Mein Kind muss an eine normale Schule. Sie wissen aber nicht, was es für das Kind bedeutet. Was bedeutet es tatsächlich für mich als Behinderter, unter normalen Kindern zu sein? Das können Eltern gar nicht einschätzen. Die Eltern denken oft, sie tun ihrem Kind etwas Gutes. Aber das muss man ganz individuell betrachten. Man kann nicht einfach generell fordern: Wir müssen jetzt alle inklusiv beschulen. Das ist falsch aus meiner ganz persönlichen Sicht. Es fehlt dieses ganze fachspezifische Wissen, was an solchen Einrichtungen, wie zum Beispiel an diesem Förderzentrum, erlangt wurde.
Ich komme von verschiedenen Einrichtungen. Die Grundschule war eine Spezialeinrichtung und mein Abitur habe ich an einer Spezialeinrichtung in Königs Wusterhausen gemacht. Dieses ganze Wissen der Leute, die dort vor Ort sind, geht doch mit Inklusion absolut verloren. Da kommen dann Einzelfallhelfer mit einer sozialpädagogischen Ausbildung, die denken, sie können Blinde und Sehbehinderte gut betreuen. Sie haben aber nicht das ganze Spezial- und Fachwissen dazu. Deshalb habe ich im Bereich Bildung ein gespaltenes Verhältnis zur Inklusion. Das ist meine Meinung für Blinde und Sehbehinderte. Es mag durchaus Fälle geben, wo es funktioniert. Aber in den meisten Fällen funktioniert es einfach nicht. Darunter leiden dann am Ende die Kinder. Wir sehen es dann hier. Sie kommen dann plötzlich bei uns an und können einfach nichts. Sie müssen hier dann erst einmal eine blindentechnische Grundausbildung machen, weil sie das in den zehn bis zwölf Jahren vorher nicht gelernt haben. Eine spezielle Technik-Ausstattung für Blinde oder Sehbehinderte war nicht vorhanden oder sie haben sie nie bedient, weil es jemand gab, der das für sie gemacht hat. Wir haben Leute hier, die können kein Blatt in eine Punktschriftmaschine einspannen. Das hätten sie an einer Spezialschule gelernt. Denn dort sind sie einfach gezwungen, das zu machen. Die Lehrer wissen auch ganz genau, was möglich ist. Man kann von einem normalen Lehrer nicht verlangen zu wissen, was kann ich von einem blinden Schüler fordern und wie fördere ich das dann auch, wie erkenne ich das Potenzial. Es sind ja nicht alle gleich. Der eine kann das schneller, der andere kann das andere besser. Aber darauf einzugehen, das kann man doch von einem normalen Lehrer, der noch 30 andere Schüler hat, gar nicht verlangen. Inklusion muss auch in beide Richtungen funktionieren. Es heißt ja nicht nur, dass ich den Behinderten inkludieren will/muss/kann. Auch die anderen Leute müssen mit dieser Behinderung zurechtkommen. Man muss das wirklich individuell betrachten. Wirklich von Fall zu Fall. Das ist das Entscheidende. Man kann das nicht pauschal fordern. Das ist meine Meinung.
Im „SFZ Förderzentrum“ bin ich im Betriebsrat die Schwerbehindertenvertretung. Ich bin der Vertrauensmann der Schwerbehinderten und vertrete sie in sämtlichen Belangen, die mit ihrem Arbeitgeber bzw. mit ihrem Arbeitsplatz auftreten. Ich habe gerade erst angefangen, deshalb muss sich das noch entwickeln.
Es wäre schön, wenn man zukünftig nicht mehr um ganz normale Rechte kämpfen müsste. Um etwas, was für andere völlig normal ist, da permanent darum kämpfen zu müssen, das auch zu können oder daran teilnehmen zu können. Es sollte gesetzlich verbindlich sein, dass vorhandene Technik auch genutzt werden muss, wie zum Beispiel die Audiodeskription bei Filmen. Wenn ein neuer Film produziert wird, muss auch eine Audiodeskription gemacht werden. Egal, ob öffentlich-rechtlich oder privat, das muss für alle gesetzlich verbindlich sein. So dass wir am ganz normalen Leben teilnehmen können. Oder dass es möglich ist, digital an Bücher zu kommen. Das ist nicht ohne weiteres möglich. Jeder Bestseller, der veröffentlicht wird, ist nicht sofort in irgendeiner Form für mich verfügbar. Ich könnte ihn einscannen. Aber wer setzt sich hin und scannt einen 500 Seiten Roman ein? Das ist für mich wieder zusätzlicher Aufwand. Ein Buch sollte immer auch als eBook ohne Barriere verfügbar sein. Es gibt häufig eBooks, die für mich aber nicht lesbar sind. Da fehlt es auch gesellschaftlich noch. Man macht etwas nicht nur, weil es gesetzlich verlangt wird, sondern man tut der Gesellschaft etwas Gutes. Das ist bei vielen noch nicht da.
Webseite des SFZ Chemnitz: https://www.sfz-chemnitz.de/
Interview geführt am: 14.03.2019
Hallo!
Ich bin Stephan Klose aus Chemnitz.
Ich arbeite als Medien-Gestalter.
Und zwar in der Berufs-Schule.
Genauer gesagt im Förder-Zentrum Chemnitz.
Ich kümmere mich um die Lehr-Materialien für unsere blinden Schüler.
Ich bin selbst seit meiner Geburt blind.
Meine Aufgabe als Medien-Gestalter:
Ich übersetze Texte in digitale Blinden-Schrift.
So können auch blinde Schülerinnen und Schüler die Texte lesen.
Was ich über Inklusion denke?
Inklusion klingt zwar wunderbar.
Aber gerade im Bildungs-Bereich ist Inklusion schwierig.
Viele Leute sind mit Inklusion überfordert.
Sie wissen nicht, was damit verbunden ist.
Zum Beispiel:
Eltern von einem behinderten Kind sagen:
Mein Kind muss an eine normale Schule.
Die Eltern wissen aber nicht, was das für das Kind bedeutet.
Wie geht es dem behinderten Kind unter nicht-behinderten Kindern?
Die Eltern denken:
Das ist gut für mein behindertes Kind.
Aber das stimmt nicht immer.
An Inklusion sind viele Menschen beteiligt:
- die betroffenen Kinder selbst
- die anderen Kinder
- die Eltern
- die Lehrerinnen und Lehrer
Ich habe verschiedene Schulen besucht.
Die Grund-Schule war eine Spezial-Einrichtung.
Und auch das Gymnasium.
Dort habe ich Abitur gemacht.
Die Leute dort hatten ganz viel Wissen.
Sie haben uns blinde Schüler sehr gut unterstützt.
Mit der Inklusion geht sowas verloren.
Da kommen dann Sozial-Pädagogen.
Und wollen Blinden helfen.
Sie haben aber nicht das Wissen dazu.
Was ich mir für die Zukunft wünsche?
Dass wir nicht mehr um ganz normale Rechte kämpfen müssen.
Es sollte Gesetze geben:
Vorhandene Technik soll auch genutzt werden.
Zum Beispiel Audio-Beschreibungen bei Filmen.
Ein Buch sollte es auch immer als E-Book geben.
Und die E-Books sollen auch wirklich barriere-frei sein.
Denn manche E-Books kann ich trotzdem nicht lesen.
Auch die Gesellschaft muss ihre Einstellung ändern.
Oft ist es so:
Wenn Barriere-Freiheit gesetzlich vorgeschrieben ist:
Dann gibt es Barriere-Freiheit.
Aber Barriere-Freiheit soll nicht nur eine Pflicht sein.
Man tut ja damit anderen etwas Gutes.
Das Gespräch war am 14. März 2019.